Was sagen uns Grabblumen?

Peter Gasteiger sprach von einem Stück Menschheitsgeschichte

 

 

Im Hinblick auf die Tage des Totengedenkens im November, haben Frauenbund und KAB vor kurzem einen gemeinsamen Monatsabend mit dem Klostergärtner Peter Gasteiger angeboten. Inspiriert von seinem Mentor Bruder Ulrich aus dem Kloster Gars am Inn hatte Gasteiger seinen ursprünglichen Beruf als Landwirt an den Nagel gehängt und sich stattdessen aufs Gärtnern verlegt. Dank seines unnachahmlichen Redetalent wurde Peter Gasteiger schnell zu einem beliebten Referenten für verschiedene Garten-Themen. Jahreszeitlich angepasst ging es bei dem Vortrag im Pfarrheim um "die Symbolik der Grabpflanzen".

 

Begräbnisplätze und Gräberfelder waren schon in vorchristlicher Zeit bepflanzt oder begrünt. Während früher hauptsächlich Bäume den ewigen Kreislauf von Werden und Vergehen symbolisierten, gab der christliche geprägte Grabschmuck im Lauf der Jahrhunderte allmählich Blumen und Blühpflanzen den Vorzug. Man kann, so erläuterte Peter Gasteiger im Verlauf seines Vortrages, hinsichtlich des Blumenschmucks auf Gräbern durchaus von einem Stück Menschheitsgeschichte sprechen. Unsere Ahnen haben mit den Grabpflanzen noch Hoffnungen, Wunschvorstellungen und Botschaften verknüpft. Leider sind diese symbolischen Deutungen aus unserem modernen Leben fast völlig verschwunden.

Man findet zwar auf Friedhöfen und Gräbern immer noch viel Buchsbaum, Eiben oder Zypressen, aber wer verbindet mit diesen Pflanzen noch den Hinweis auf Wiedergeburt und ewiges Leben? Heutzutage werden die immergrünen  Bäumchen und Sträucher bevorzugt, weil sie winterfest und pflegeleicht sind.

 

Die Oma des Referenten, so erfuhren die interessierten Zuhörerinnen und Zuhörer, konnte sich durchaus noch daran erinnern, dass Disteln auf einem Grab die bösen Geister abwehren und blaues Immergrün - auch Totenviola genannt - den unschuldigen Kinderseelen einen direkten Weg in den Himmel bahnen sollte. Rote Rosen als Liebessymbol und weiße Lilien als Zeichen für Reinheit und Unschuld haben den Weg vom Grabschmuck bis in unsere Braut- und Geburtstagssträuße gefunden, aber kaum jemandem dürfte bekannt sein, dass Hauswurz bevorzugt auf Gräbern von Frauen gepflanzt wurde, die im Kindbett verstorben waren. Blühende Hauswurz galt nach einer angemessenen Trauerzeit als Hinweis - auch für "Heiratsschmuser": Jetzt wäre eine Nachfolgerin für Haus, Kinder und Witwer willkommen.

Lange bevor es unsere Form der psychisch begleiteten Trauerbewältigung gab, kündete ein Grab voll Heidekraut vom tiefen Leid der Hinterbliebenen während der silbrig glänzende Stacheldraht von einen langen Leidensweg des Verstorbenen erzählte. Wenn der Tod die große Liebe eines älteren Paares beendete, dann schmückte der trauernde Partner das Grab gern mit Astern, während Akeleien dem Friedhofsbesuchern eher von einem unguten Menschen berichteten.

Auf diese Weise wurden Tod und Trauer in vergangenen Jahrhunderten, verbunden mit den Abschieds- und Beerdigungsritualen zu einer viel öffentlicheren Angelegenheit. Besonders in den kleinen Dorfgemeinschaften rückten die Menschen bei einem Todesfall eng zusammen, es wurde zusammen gebetet und getrauert und niemand schämte sich, über den Tod hinaus, mit der Bepflanzung des Grabes etwas über das Wesen und die Lebensweise des Verstorbenen kundzutun.

 

Peter Gasteiger sprach sich sehr dafür aus, unserer über die Jahrhunderte gewachsenen Friedhofskultur, nicht mit Granitplatten und zugekiesten Grabstätten den Garaus zu machen. Ein Grab muss kein teurer, aufwendiger Minipark sein, ein schöner, pflegeleichter Bodendecker, aufgelockert mit einigen Blühpflanzen - vielleicht mit einem blumigen Hinweis auf die Liebe, Achtung und Verehrung die man dem Toten einst entgegenbrachte - ist völlig ausreichend.

 

Evelyne Betz