Geschichten über die Geschichte

Museumsleiter Lambert Grasmann erzählt über "Alt Vilsbiburg"

 

 

Einmal im Jahr bieten die drei kirchlichen Vereine KAB, Kolping und Frauenbund einen gemeinsamen Vortrag für Mitglieder und Pfarrangehörige an. Der Frauenbund hatte leider bei der Terminfestlegung einen schlechten Tag erwischt. Zusammen mit  Museumsleiter Lambert Grasmann mussten die Gastgeberfrauen gegen die "Bayern" und das Champions League Spiel antreten. Sie haben aber, wider Erwarten was die Besucherzahl im Pfarrheim betrifft, recht gut abgeschnitten. Etwa 70 Personen hatten sich gegen Fußball und für "Vilsbiburg im Wandel der Zeit" entschieden. Ein Entschluss, den sicher niemand bereut hat, ganz im Gegenteil brachte es eher die Feststellung der Sprecherin vom Frauenbund auf den Punkt: "Mir tun alle leid, die diesen Vortrag versäumt haben." Lambert Grasmann hat schließlich auch eine besonderes angenehme Art, auf Grund seines umfassenden Wissens, Zuhörerinnen und Zuhörer zu fesseln. Anhand eines alten Katasterplanes erläuterte Grasmann als Einleitung, wie unsere Heimatstadt zu Beginn des 19. Jahrhundert ausgesehen hat. Es gab 193 Hausnummern und die Einwohnerzahl betrug im Jahre 1808 genau 1.240 Personen. Um den heutigen Stadtplatz, damals Innerer Markt genannt, standen die Häuser dicht an dicht, sie wurden von einer Ringmauer geschützt und von dem Unteren und dem Oberen Tor begrenzt. Verheerende Brandkatastrophen gab es in der Vergangenheit wahrscheinlich in jedem Ort. Zur Feuerbekämpfung standen in Vilsbiburg, zusätzlich zum Wasser aus der Vils, ein Löschweiher in der Schützenstraße und der sogenannte Neuhofer Weiher in der Freyung zur Verfügung.  

Wenn man einer Beschreibung durch den Staatsrat Joseph von Hazzi aus dem Jahre 1808 glaubt, hat es sich vor über 200 Jahren in dem kleinen Marktflecken ganz gut gelebt: "Biburg ist ein freundlicher Flecken wie Neumarkt, beinahe durchaus gemauert auf italienische Art; die 12 (!!) Bräuer stehen gut, es giebt auch da mehrere Weber so wie Tuchmacher und Professionisten (= gewerbetreibende handwerker). Die Wallfahrt Mariahilf, die Capuziner, deren Kloster auch die Bürger bauten, und Klausner, verursachen immer vielen Zusammenlauf des Landvolks, so auch die Pferde und Viehmärkte, wodurch der Flecken sehr gewinnt." In den Aufzeichnungen von Hazzi kommen die Nachbarorte "Gangkofen mit nur 8 Bierbrauern" und Velden "das ist beinahe noch schlechter, meist von Holz, schmutzig und beinah unzugänglich" nicht so gut  weg.

 

 

Leider sind die vielen Brauereien, Gasthöfe und Wirtshäuser die einst rund um den Stadtplatz angesiedelt waren, langsam aber sicher verschwunden. 1918 hörte die Brauerei Stammler auf, 1939 die Weißbierbrauerei Kreill, 1954 ereilte die Brauerei Schöx das gleiche Schicksal und die Brauerei Aschenbrenner gibt es seit 1965 nicht mehr. An der Stelle, wo einst die Winklerwirtshäuser standen, findet sich heute die Sparkasse und das stattliche Gasthaus zur Post, dass immerhin 32 Zimmer anbieten konnte und im Besitz der Familie Urban war, schloss 1919 seine Pforten. Der ehemalige Postsaal wurde in ein Festspielhaus mit Bühne umgebaut. Bis 1932 dienten die Räumlichkeiten zur Aufführung der, an ein Passionsspiel angelehnten, "Liebfrauenfestspiele". Von 1952 bis 1985 wurde der - nochmals umgebaute - Saal zum Uli-Kino und wo heute die Auslagen vom "bellissima" modische Kleidung anbieten, präsentierte sich einst die Schauseite des Gasthofs zur Post. "Jede Epoche hat ihr eigenes Stilempfinden kultiviert und es in allen möglichen Bereichen zu verwirklichen versucht - dies kann gerade in Vilsbiburgs altem Kern beobachtet werden." Den wohl empfindlichsten Eingriff in das städtebauliche Bild, erlebte Vilsbiburg mit dem Abbruch des unmittelbar an die Vils gebauten Unteren Tores im Jahre 1903. Auch die beiden Anbauten, das sogenannte Weindlhaus und der zeitweise als Rathaus und als Feuerwehrhaus genutzte Westkomplex mussten dran glauben. Es gab zwar zeitweilig Vorschläge den Turm zu erhöhen und die Durchfahrt zu verbreitern und damit die Geschlossenheit des Inneren Marktes zu bewahren, aber leider konnten sich die Gemeindeväter nicht zu dieser Lösung durchringen. Die alte Holzbrücke über die Vils wurde durch eine Eisenkonstruktion ersetzt und ein Leserbriefschreiber trat im Vilsbiburger Anzeiger für die "Vilsfreiheit" ein. "Jetzt steht Jedermann staunend und bewundernd da und sieht die von selbst gewordene Vilsfreiheit ........ diese Vilsfreiheit muss uns erhalten bleiben, die darf nicht mehr verbaut werden!" Eine besonderen Freude machte Grasmann seinen Zuhörern mit "neueren" Fotografien die zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden sind. Da konnte noch die eine oder andere eigene Erinnerung aus dem Gedächtnis gekramt werden: An den Trinkwasserbrunnen in der heutigen oberen Stadt - es gab im Markt verteilt sieben solche öffentlichen Brunnen - an Bäume vor dem Cafe Konrad (zu der Zeit noch Cafe Vogt) oder an den Baum vor dem  Aigner-Schmied-Haus. Der Obere Markt wurde damals übrigens als "schwarzes Viertel" bezeichnet. Die nicht abwertend gemeinte Bezeichnung war dadurch entstanden weil die Häuser in diesem Ortsteil fast durchwegs aus Holz waren - und das Holz der Fassaden im Lauf der Zeit sehr dunkel wurde.

In der guten alten Zeit , als "Freizeit" noch nicht von modernen Medien beeinflusst und einem Überangebot an Vergnügungen gestaltet wurde, war Eigeninitiative gefragt. Eine Laienspielgruppe führte mit Erlaubnis der amerikanischen Militärregierung 1947 im Aschenbrennersaal "Zar und Zimmermann" auf und das Kolping-Theater lud 1956 zu dem Stück "Die Heimat ruft" ein. Mit Fotografien vom dem unvergessenen Obermeier Toni und dem Süß Sepp als Theaterspieler beendete Lambert Grasmann seine spannende Reise in die Vergangenheit von Vilsbiburg, die von den Anwesenden mit viel Beifall honoriert wurde.  

 

Evelyne Betz