Vilsbiburger Zeitung - Freitag, 6. Februar 2009  - Bericht von Georg Soller

 

DAS SCHEMA DES GEPLANTEN TRAUERHAUSES (von links): Die Aufbewahrung von Särgen und Urnen, der ovale Abschiedsraum mit Umlauf, der Garten und die Aussegnungshalle. Die hellgrau schraffierte Fläche ist von dem leicht geneigten Pultdach überdeckt. (Grafik: Architekturbüro Birnkammer)

 

Die Trauer-Pastorale geht neue Wege

 

Ein Ort zum Abschied nehmen - Das geplante Trauerhaus am Friedhof soll Modellcharakter für die ganze Diözese haben

 

Vilsbiburg. Völlig neue Wege zur Bewältigung von Trauer und Schmerz über den Tod eines geliebten Menschen möchte die Pfarrei mit dem geplanten Trauerhaus am Friedhof einschlagen. „Ich verstehe den Beistand bei der Trauerarbeit als eine zutiefst christliche Aufgabe, der wir in zeitgemäßer Form intensiver nachkommen müssen“, erklärte Stadtpfarrer Siegfried Heilmer im Gespräch mit der Vilsbiburger Zeitung. Dafür soll jetzt mit dem geplanten Trauerhaus ein Ort geschaffen werden, an dem Trauernde aller Konfessionen sich in aller Ruhe von ihren verstorbenen Angehörigen verabschieden können. Der Tod hat in unserer modernen Zeit die Züge des beinahe sympathischen Boandlkramers verloren. In der technischen Welt besorgen die Profis der Bestattungsunternehmen die letzten Handgriffe bis zur Beerdigung, mehr als ein Drittel der Verstorbenen im vergangenen Jahr wollten eine Feuerbestattung. „Ich erlebe dann, dass Angehörige später sagen: Das ging alles so schnell, und dann war er plötzlich nicht mehr da“, sagte Pfarrer Heilmer. Nicht geleistete Trauerarbeit, der versäumte bewusste Abschied plage manche Hinterbliebene noch Jahre später. „Und so etwas wollen wir auffangen.“ Früher sind die Toten oft noch für einen Tag zu Hause bei der Familie geblieben, dort fand auch die Aussegnung statt. Wo das heute noch möglich ist, soll es so bleiben. Viele Menschen sterben aber im Krankenhaus oder durch einen Unfall. Dann wird es schwieriger mit dem Abschied nehmen. „Dafür soll unser Trauerhaus ein Angebot sein“, sagte Heilmer. Das alte Leichenhaus, für dessen Erhalt sich zuletzt ein Aktionskreis stark gemacht hatte, bietet für derartige Pläne keinen Raum: Es ist letztlich nur eine nicht zugängliche Aufbewahrung für Särge.

Hochgelobtes Konzept

Das auch im Stadtrat hochgelobte neue Konzept kombiniert die Aufbewahrung mit einem Bereich zum persönlich Abschied nehmen. Die geplante Aussegnungshalle ist jetzt größer und durch eine Glasfont zum Friedhof hin geschlossen, damit sie auch als Kapelle für kleinere Trauergemeinden dienen kann. „Wir haben uns seit fast zehn Jahren sehr viele Gedanken gemacht, wie wir die Menschen zeitgemäß in ihrer Trauer begleiten können“, sagte Gemeindereferent Gerhard Valentin. Denn dieser Teil der Beerdigung sei eine ureigene kirchliche Aufgabe, ergänzte Pfarrer Heilmer, die bei der Kirche bleiben und nicht auch noch auf kommerzielle Anbieter übergehen soll. Hier kommt nun die Architektur ins Spiel, die für einen derart emotionsbeladenen Ort eine Lösung finden musste, die den trauenden Menschen Halt gibt und ihnen einen Platz anbietet, um unbeobachtet den Gefühlen freien Lauf lassen zu können. Stephan Birnkammer hat diese Aufgabe gemeistert, und das Baureferat der Diözese Regensburg hat, wie Pfarrer Heilmer sagte, die Pfarrei mit vielen guten Ideen sehr umfangreich beraten. Inzwischen hat das Projekt die Baugenehmigung des Stadtrats erhalten. Die Hinterbliebenen legen den Plänen zufolge zunächst einen gewissen Weg zurück, um in den zentral gelegenen, ovalen Abschiedsraum zu gelangen. Wenn man dann dem Toten gegenübertritt, dann ist das Thema Licht von zentraler Bedeutung, das im ganzen Gebäude nach Möglichkeit als Tageslicht von oben kommt. „Licht und Klarheit“ nannte Heilmer als Grundgedanken für die Gestaltung des Abschiedsraums, der aber in seiner modernen Gestaltung nicht kalt erscheinen dürfe.

Garten zum Durchatmen

Außerhalb des Abschiedsraums gibt es einen Rundweg, auf den sich der Trauernde zurückziehen kann, wenn es ihn „umtreibt“. Mehr noch: Wer Luft zum Durchatmen benötigt, kann sich in einen Garten zurückziehen, der zwischen Abschiedsraum und Aussegnungshalle liegt. All diese Räume sind von außen nicht einsehbar, damit die Angehörigen ungestört Abschied nehmen können. Um den Auferstehungsgedanken auch durch die Architektur zum Ausdruck zu bringen, soll der Weg zur Aussegnungshalle leicht ansteigen. Der Raum selbst wird als Kapelle angelegt. Im Keller der Aussegnungshalle ist der Raum für die rituelle Leichenwaschung von Toten, die nach islamischen Riten beigesetzt werden. Im ersten Planungsstadium wollte die Pfarrverwaltung eigentlich nur das alte Leichenhaus sanieren und erweitern. „Diese Pläne wurden uns von der Diözese komplett abgelehnt. Danach waren wir ziemlich ratlos“, erinnerte sich Valentin. Drei Jahre lang habe man den Umbau beiseite gelegt und die Trauerpastoral inhaltlich überarbeitet – von Trauerbesuchen bis zur Notfallseelsorge. Als das neue Konzept immer klarer wurde, erkannte man, dass „wir auch baulich etwas unternehmen müssen“. Weil man damit das alte Leichenhaus komplett überarbeiten müssen hätte, kam durch die Diözese der Neubaugedanke ins Spiel. Heute heißt es bereits, dass damit nicht nur ein modernes Trauerhaus entsteht, sondern das Konzept Modellcharakter für die Diözese hat.

In dem Leichenhaus in seiner heutigen Form wäre das engagierte Konzept des Trauerhauses nicht zu verwirklichen gewesen – oder man hätte es so sehr umbauen müssen, dass es einem Neubau gleich gekommen wäre. Nachdem das Denkmalamt keine Bedenken angemeldet hat, soll es abgerissen werden. (Foto: gs)

 

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